Die alte Kultur vom Geben und Nehmen
In den Kulturen der indigenen Völker
existierten einzigartige Formen von Geschenk-Ritualen. Die Kwakiiuti im Norden von Kanada zelebrierten den Potlatsch. Auf diesem Fest wurden unter anderem auch kostbar gestaltete Kupferplatten verschenkt. Marcel Mauss, der Urvater der Ethnologie, hat Potlatsch als Verb mit »ernähren« oder »verbrauchen« übersetzt, als Substantiv mit »Ernährer« oder  »Ort, an dem man gesättigt wurde«. Sein klassisches Werk "Die Gabe" über die Ethik des Tauschens von Geschenken erschien 1924. Darin hob er hervor, dass dieses Ritual aus drei eng verbundenen Verpflichtungen bestand: Geben, Nehmen und Erwidern. Viele dieser Geschenk-Rituale kreisten um Nahrung, wobei auch die sich nicht verbrauchenden Güter von den Indigenen als Nahrung bezeichnet wurden. Bei den Nordamerikanischen Völkern hieß der Potlatsch ursprünglich die »Große Speisung« und war ein mehrtägiges Fest.

                     Marcel Mauss                                                                            Potlatsch der Kwakiiuti                                   

 
 

Für fast alle Stammesvölker war das Geschenk ein vergänglicher Besitz. Der Geist des Geschenkes konnte nur im beständigen Weitergeben lebendig bleiben. Das Ritual überschritt alle weltlichen Grenzen und reichte bis ins Mystische hinein. Der Geschenketausch nährte nicht nur den Geist des Einzelnen, er wurde auch als ein Bild des lebendigen Gruppenlebens gesehen. Ein Geschenk sollte nicht zum Vermögen eines anderen werden. Es gab drei Formen von Zuwachs, den natürlichen (bei Lebewesen), den natürlich-spirituellen (bei Trägern des Geistes) und den sozialen (beim Umlauf, der im individuellen Wohlwollen einer Gemeinschaft entstand). Die Aufwertung eines Geschenks war somit etwas zugleich Materielles, Soziales und Spirituelles.

Lewis Hyde beschreibt dies in vielen Beispielen in seinem Buch „The Gift“. Er berichtet von Beschenkten, die Dankbarkeit fühlten, wenn die Lehre des Geschenks in Ihnen zu „greifen“ begann. Der Autor bezeichnet diese Dankbarkeit als eine Mühe, die die Seele unternimmt, um eine durch den Empfang des Geschenks ausgelöste Veränderung zu bewirken. Durch die Weitergabe des Geschenks wird diese Mühe in eine Kraft transformiert, das Geschenk im eigenem Sinne des Besitzers weiterzureichen.

 

 
              
         Das Geschenk einer Kupferplatte                Potlatsch - Acryl auf Papier                                            Lewis Hyde,
                                                                                                                                           Autor von "The Gift", deutsch "Die Gabe"

Aus dem südlichen Afrika kommt die Lebenphilosophie UBUNTU, die dort das alltägliche Leben beeinflusst. Das Wort kommt aus den Bantusprachen der Zulu und Xhosa und umfasst die Begriffe "Menschlichkeit, Nächstenliebe und Gemeinsinn", die als Teil des Ganzen verstanden werden. Es ist das Bewusstsein "gemeinsam menschlicher zu werden, sich wechselseitig dabei zu unterstüzen". Das fördert das Bestreben nach einer harmonischen, friedlichen Gesellschaft und beruht auf dem Glauben, dass ein "universelles Band des Teilens", alles Menschliche verbindet.

     Archetypische Masken der Verbundenheit - Aquarelle, 30x40cm, Wimmer Wilkenloh 1984


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