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Bilder Collagen  
 

 

Ängstige deinen Nachbarn wie dich selbst

 Der Künstler als Bilderdieb der Bilderdiebe

Der Fotograf ist zu einem Bilderdieb geworden. Er fotografiert und filmt die Dinge, um die Abbilder zu besitzen oder zu verkaufen. Dadurch haben sich die Abbilder in ihrer Wirkung dramatisch verändert. Sie werden heute wahrscheinlich mehr wahrgenommen, als die Originale selbst. Durch die Beutestücke der Bilderdiebe geht dem Betrachter immer mehr die Fähigkeit verloren, Bezüge zwischen unterschiedlichen Realitätsebenen herzustellen.                           Klick hier

Jedes Abbild, das immer nur eines unter Millionen ist, verliert seine Funktion der Wirklichkeitsdarstellung. Seitdem wir uns im Zeitalter der Reproduktion befinden, haben diese Abbilder millionenfach Einzug in Zeitschriften und Illustrierten gehalten. Ein flüchtiger Blick und schon ist es wieder entsorgt. Hier, im Müll der Abbilder, der sich durch das Wegwerfen, also den Verzicht des Bilderdiebes auf seinen Besitz, kennzeichnet, finde ich meinen Ansatz, das Bild der Wirklichkeit neu zu erstellen. Meine Arbeit geht über den Diebstahl der gestohlenen Bilder hinaus. Ich breche in die Archive der Abbilder ein, mein Einbruchswerkzeug sind Schere und Klebstoff, meine Motivation ist die Suche nach der Wahrheit hinter den Abbildern. Es ist der Versuch, aus der Bilderflut, die uns unsere Wirklichkeit gestohlen hat, das Wirkliche zurückzustehlen.

 

Montage der Augenblicke – Collage der Zeit

Meine Collage-Arbeit wurde über den Zeitraum von 20 Jahren, 1986 – 2005, gestaltet. Die vorgefundenen Reproduktionen habe ich Monat für Monat zu einem neuen Ganzen zusammengesetzt. So ist ein sich stetig erweiterndes, historisches Bilder-Epos entstanden, das eine eindeutige, politische Aussage nur als Ausgangsmotivation kennt. In diesen Montage-Collagen steht das einzelne Bild, das den Zustand der Ruhe symbolisiert, in einem „visuellen Bilderuniversum“, d.h. das gesamte Werk hat sich während seiner Entstehung stetig ausgedehnt. Das benutzte Material wurde von mir dabei zu einer assoziativen Landkarte menschlicher Ereignisse angeordnet, zu einem visuellen Psychogramm der jüngsten Geschichte.

 

In Anlehnung an John Heartfield

  

Die Angst vor der Geschichte

Wer sich die heutige Welt anschaut und keine Angst hat, ist, um es mit den Worten des Philosophen Günther Anders zu sagen, mit einer „Apokalypse-Blindheit“ geschlagen. Angst ist nach meiner Meinung aber nicht nur lähmend, sie kann auch ein auslösender Faktor sein, sich der Geschichte zu stellen. Nur der Phantasielose bedient sich nicht der Kraft seiner Erinnerung. Geschichte anschaulich zu machen, bedeutet: Sich selbst so weit neben die Übermacht der widerfahrenen Geschehnisse zu stellen, wie es nötig ist, um den eigenen Sinn für sich darin zu entdecken. Erinnerung ist ein positionaler Maßstab, der einerseits unbewegte und unveränderliche Fakten, anderseits bewegte, kontinuierliche Veränderungen in der Bindung dieser Fakten auslotet. Mit anderen Worten: Erinnerung ist ein Lebenselixier. Erinnerung ist ein Zustand der Ruhe, der in Relation zur bewegten Zeit steht.

 

Das neue Weltbild

„Zeit“ ist für mich ein individueller Maßstab, mit dem ich etwas "IN-BEZIEHUNG-SETZEN" kann. Eins ist sicher, es gibt keine verlässlichere Erfahrung als unsere eigene. Fremde Kategorien und Begriffe können nur durch die eigene Anschauung durchdrungen werden, wenn sie nicht blicklos und leer bleiben sollen.

In meiner Sache: ich montiere historische Geschehensabläufe, die sich auf verschiedenen Zeitebenen abspielten, in einem kontinuierlichen Bezugsrahmen von Monaten und Jahren. So entstand ein metaphorisches Resümee von allem, was ich aus subjektiver Sicht erlebte und beurteilte. Es war, im wahrsten Sinn des Wortes, die Entdeckung eines neuen Geschichtsbilds, das historische Positionen und Abschnitte bestimmte, die sonst unbestimmbar blieben. Die Erforschung der geschichtlichen Welt hatte noch kein intuitives Ausdrucksmittel. Meine  Montage-Collagen könnten auch als „JETZT-Bearbeitungen“ bezeichnet werden, die eine Geschichtsbetrachtung der Unmittelbarkeit zulässt. Das gedankliche „JETZT“ ist visualisierbar und dadurch gleichzeitig auch reflektierbar. Die Montage-Collagen zeigen ein neues Weltbild, schaffen einen neuen "Denk-Raum" der Besonnenheit.

 

Ralph Giordano (1995)

Jean-Chistophe Ammann (1993)